… Stéphane Etrillard


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Bei einem Unternehmer hat man das Bild eines nimmermüden Machers, Entscheiders und Problemlösers im Kopf. Obwohl viele Unternehmer nach außen genau dieses Bild ausfüllen, sieht es innen oft doch ganz anders aus. Wer als Entrepreneur neu auf dem Markt kommt, weiß oft noch nicht, wohin die Reise gehen wird. Bei erfahrenen Unternehmern ist dagegen im Laufe der Jahre vieles zur Routine geworden. Vielfach ist ihnen die Freude an ihrer Arbeit abhandengekommen und die Bereitschaft, noch einmal ganz neue Wege zu beschreiten, ist verlorenen gegangen. In beiden Fällen brauchen Selbstständige Orientierung. Denn nur mit Klarheit über die eigenen Ziele, Bedürfnisse und geschäftlichen Potenziale, ist es möglich, auch in Umbruchszeiten auf Erfolgskurs zu bleiben.

Herr Etrillard, in ihrem neuen Werk beschreiben sie, wie sich Unternehmer ihre Souveränität erhalten und auch in Anbetracht von Druck, Veränderungen am Markt, ökonomischen Zwängen und von persönlichen Herausforderungen das Ruder selbst in der Hand behalten. Dabei zeigen Sie ein tiefes Verständnis für die drängenden Fragen des Unternehmerdaseins und ein feines Gespür auch für solche Problemfelder, die zwar selten thematisiert werden und dennoch eine wesentliche Rolle für den persönlichen Erfolg spielen. Außerdem verzichten Sie dabei bewusst auf eine reine Wiederholung vielfach beschriebener Konzepte und konzentrieren sich stattdessen auf den Unternehmer als Menschen und auf das, was ihn antreibt oder vom Weg abbringt.

Als gefragter Experte für persönliche Souveränität haben sie nun auch den Begriff Unternehmer-Souveränität geprägt. Was genau ist darunter zu verstehen?

Wenn Sie in einem Lexikon den Begriff Unternehmer aufschlagen, werden Sie so etwas lesen wie: Ein Unternehmer ist eine Person, die selbstständig und eigenverantwortlich ein Unternehmen leitet und dabei zu umfassenden Entscheidungen befugt ist. Das klingt nach einer präzisen Definition. Und es stimmt ja auch, doch wir lesen nichts darüber, was das genau bedeutet oder wie jemand über längere Zeiträume ein Unternehmen leitet und in den vielen, teilweise sehr unterschiedlichen geschäftlichen Situationen die richtigen Entscheidungen trifft – und dabei auch noch ausreichend an sich selbst denkt. Wenn eine Selbstständige oder ein Selbstständiger dauerhaft in der Lage ist, ein Unternehmen sowohl wirtschaftlich erfolgreich als auch persönlich zufriedenstellend zu führen, nenne ich das Unternehmer-Souveränität.

Als Unternehmer muss ich mich um meine Produkte, meine Mitarbeiter, meine Mitgliedschaften (teils erzwungen), mein Marketing und gefühlt endlos vieles mehr kümmern. Welche Aufgaben sind dabei besonders wichtig?

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Jonny Hofer & Stéphane Etrillard im Hotel EUROPÄISCHER HOF in Heidelberg

Das ist es ja, ich bin überzeugt, dass man nicht einzelne Aufgaben herauspicken kann. Es ist viel angemessener, das gesamte unternehmerische Handeln zu betrachten. Wenn ein Unternehmer zwar ständig neue Geschäftsideen entwickelt, jedoch nicht in der Lage ist, sie umzusetzen, bringt das wenig. Und wenn jemand zwar finanziell überaus erfolgreich ist, doch schon seit Jahren die Freude an Arbeit verloren hat, fällt es mir schwer, das wirklich als Erfolg zu bezeichnen. Die Kunst ist es deshalb, auch in Anbetracht von Druck, Veränderungen am Markt, ökonomischen Zwängen und der persönlichen Situation das Ruder selbst in der Hand zu halten und klar zu wissen, was man will – und das dann auch zu verwirklichen.

Die Kunst das Ruder selbst in der Hand zu behalten – schön gesagt, nur ist das, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, nicht immer so einfach. Es prasselt extrem viel auf den Unternehmer ein. Wie kann das gelingen?

Indem wir immer wieder Bilanz ziehen und uns den Stand der Dinge ins Bewusstsein rufen. Wo stehen Sie als Unternehmer – und als Mensch – heute? Wo würden Sie gern stehen? Wo sehen Sie sich in fünf und wo in zehn Jahren? Was würde Sie gern anders machen? Was überhaupt nicht mehr und was stattdessen? – Das sind Fragen, die sich manche Unternehmer gar nicht erst stellen. Womöglich würden sie gern vieles anders machen, glauben jedoch, das sei utopisch, weil sie schließlich ein Geschäft zu führen und Angestellte zu bezahlen haben. Also wird einfach weitergemacht. Vergessen wird dabei, dass unternehmerischer – und damit meine ich auch den persönlichen – Erfolg kaum möglich ist, wenn der Unternehmer emotional nicht mehr zu hundert Prozent hinter seinen Unternehmungen steht.

Vincent van Gogh soll gesagt haben: “Wandlung ist notwendig wie die Erneuerung der Blätter im Frühling.“ Es hört sich sehr poetisch an, nur wenn sich nun herausstellt, dass eine Veränderung für den Unternehmer wirklich überfällig ist – wie geht es weiter?

stephane-etrillard-im-zwiegespraech-mit-jonny-hofer-3Indem wir uns vorbereiten und dann ohne Zögern rasch handeln. Eine gute Vorbereitung ist wichtig, doch auch die gründlichste Vorbereitung muss irgendwann abgeschlossen sein. Meister der Planung gibt es viele, Meister der Umsetzung nur wenige. Das Problem liegt häufig allein darin, dass zwischen der Idee und dem Erfolg immer das Handeln steht – und an diesem Punkt hapert es, was ein wenig paradox ist, da wir doch gerade durch unser eigenes Handeln die Dinge so beeinflussen können, dass wir nicht mehr vom Zufall oder den Entscheidungen anderer abhängig sind. Handeln bedeutet, gezielt etwas zu beeinflussen – dadurch, dass wir selbst handeln, andere zum Handeln veranlassen oder indem wir ganz bewusst etwas unterlassen. Diese drei Handlungsmöglichkeiten haben wir immer und in allen Situationen. Statt sich über Dinge zu ärgern, die wir nicht ändern können, haben wir die Möglichkeit, unsere Handlungen auf das zu konzentrieren, wo unsere Einflussmöglichkeiten groß sind.

Wir leben in einem Land der ISO Zertifizierung, des TÜV-Geprüft-Wahnsinns sowie anderer Plaketten und Institutionen, was bedeutet, dass vor einer Veränderung in vielen Unternehmen erst einmal bestimmte Prozesse durchlaufen und Konzepte aufgestellt werden. Wie denken Sie darüber?

Das hängt von der Unternehmensgröße ab. Die große Mehrzahl der Selbstständigen leitet kleine und mittelgroße Unternehmen. Und der große Vorteil der Selbstständigkeit ist es ja, dass wir die Regeln selbst aufstellen und jederzeit verändern können. Wenn der Sinn für das Pragmatische im Unternehmen verloren geht, bestimmen Formalitäten den Alltag und das Unternehmen wird immer behördenähnlicher. Doch Konventionen sind dann fehl am Platz, wenn sie an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen und unkomplizierte Lösungen verhindern.

Lassen wir also die Konventionen Konventionen sein und handeln unkonventionell – soweit so gut, aber wie können sich Unternehmer das Handeln erleichtern?

stephane-etrillard-im-zwiegespraech-mit-jonny-hofer-6Durch eine gute Prise Pragmatismus. Ein Pragmatiker ist ja jemand, der auch bereit ist, unorthodoxe Wege zu gehen und sich über bestehende Konventionen hinwegzusetzen, wenn es dem effizienten Lösen einer Aufgabe dient. Längst nicht immer geht es dabei um die ganz großen Veränderungen. Oft sind es die kleineren Aufgaben, die mit der richtigen Prise Pragmatismus viel einfacher von der Hand gehen: Wir können lästige Arbeiten sofort erledigen oder sie wochenlang vor uns herschieben und wir können uns an den vielen Details festbeißen oder einfach zur Tat schreiten. Etwas nur aus Prinzip zu machen
(oder auch nicht), bringt selten Vorteile und ist in den meisten Fällen auch noch Zeitverschwendung. Wer damit beginnt, einfach darauf zu verzichten, es unnötig kompliziert zu machen, hat schon viel gewonnen und ist viel besser in der Lage, sich den wirklich wichtigen Dingen zu widmen.

Wann ist eine Vereinfachung außerdem von Vorteil?

Immer dann, wenn sich dem Unternehmen neue Chancen eröffnen. Oft wird in solchen Momenten zu kompliziert gedacht. Jede Chance, die sich bietet, kann einen Wendepunkt für die unternehmerische Karriere bedeuten. Zudem können Chancen dazu beitragen, Missstände zu verbessern oder ganz zu beheben. Doch wstephane-etrillard-im-zwiegespraech-mit-jonny-hofer-5ir bekommen neue Chancen selten auf dem Silbertablett serviert – und selbst dann müssten wir immer noch zugreifen. Das gelingt längst nicht jedem. Wer mit seiner geschäftlichen Situation unzufrieden ist, schon lange auf den großen Durchbruch wartet oder eine Phase der Stagnation durchlebt, tröstet sich gern damit, auf die passende Gelegenheit zu warten. Ein derartiges
Denken ist nachvollziehbar, führt jedoch in den seltensten Fällen dazu, dass tatsächlich etwas Entscheidendes geschieht. Chancen gibt es zwar weit mehr, als wir auf den ersten Blick glauben, doch fallen sie einem nur sehr selten direkt vor die Füße. Oft sind sie sogar geradezu getarnt und als solche kaum zu erkennen. Chancen wollen gefunden, erkannt und dann ergriffen werden. Die meisten Unternehmer haben ähnliche große Chancen, doch die einen sehen die Perspektiven und handeln, die anderen zögern und warten ab.

Das erinnert mich an den größten Redner seiner Zeit Demosthenes, von dem das folgende Zitat überliefert worden ist: „Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten.“ Nur bleibt es dabei, dass manche unternehmerischen Fragen jedoch nun einmal komplex sind und wollen gründlich durchdacht werden …

… was selbstverständlich richtig ist. Nur brauchen wir es auch nicht zu übertreiben. Dinge zu durchdenken gilt als Zeichen von Intellektualität und Weitsicht. Doch wer sich ständig den Kopf zermartert, verhindert so oft auch ein entschiedenes Handeln. Denn jede Handlung und jede Unternehmung hat irgendwo gewiss auch einen Haken oder ist mit Risiken behaftet. Je länger wir über etwas nachdenken, umso gewichtiger erscheinen manchmal die Nachteile. Damit machen wir vieles unnötig kompliziert. Vereinfachung ist nicht die Antwort auf alles, sie hilft jedoch dabei, einen Anfang zu machen.

Keep it simple, where it is possible“ sagte bereits meine Klassenlehrerin Mrs. Bounds im zweiten Schuljahr zu mir, wenn ich mal wieder zu lange überlegt habe. Was kann uns noch davon abhalten, entschlossen zu handeln?

stephane-etrillard-im-zwiegespraech-mit-jonny-hofer-4Wie allen Menschen fällt es natürlich auch Unternehmern schwer, sich von der Vergangenheit zu trennen und loszulassen. Über die Jahre kann das zu einer schweren Hypothek werden: Wir ärgern uns über das Verhalten eines Kunden, über einen Mitarbeiter oder Geschäftspartner und beißen uns geradezu an vergangenen Vorfällen fest – manchmal jahrelang. Das ist weder gut für das Unternehmen noch für einen selbst. Oft ist uns das sogar bewusst, dennoch fällt es uns schwer, einen Strich unter die Rechnung zu machen. Dabei geht es letztlich nicht einmal um die Sache selbst. In Wahrheit ist es meist vielmehr das eigene Ego, von dem wir nicht loslassen können.

Sie glauben, das größte Problem dabei sei das Ego des Unternehmers selbst, wieso das?

Das Ego entspricht dem von uns selbst entworfenen Selbstbild. Und das will auf eine Kränkung reagieren, will Gerechtigkeit, Genugtuung und Wiedergutmachung, sogar dann, wenn wir uns selbst damit schaden. Nur die Selbsterkenntnis hilft dabei, Vergangenes abzuhaken. Es geht darum, etwas zu akzeptieren, das den eigenen Wünschen widerspricht. Loslassen bedeutet, sich aus einer schädigenden Situation zu befreien. Damit dies gelingt bedarf es einer klaren Entscheidung zu einem Neustart. Eine solche Entscheidung fällt am ehesten dann, wenn wir uns unserer (gekränkten) Gefühle bewusst werden und anerkennen, dass die Gefühle von den eigenen Gedanken beeinflusst werden. Wer also das Vergangene wieder und wieder Revue passieren lässt, erzeugt selbst die negativen Gefühle – bis man in einer endlosen Spirale gefangen ist und sich kaum noch befreien kann. So haben wir dann nie den Kopf frei, um etwas Neues zu starten und Ideen in die Tat umzusetzen. Dagegen kann eine Art Gewinn-und-Verlust-Rechnung helfen: Verdeutlichen Sie sich, was Sie gewinnen, wenn Sie loslassen, beziehungsweise was sie verlieren, wenn sie es nicht tun.

Und manchmal halten wir doch auch aus reiner Gewohnheit an dem Alten fest?

Genau, das ist noch eine andere Form des Nichtloslassens: wenn wir nämlich am Alten festhalten, obwohl wir wissen, das längst eine Veränderung erforderlich ist. Das betrifft beispielsweise eine Neuausrichtung des eigenen Angebots auf veränderte Märkte und notwendige Umstrukturierungen des eigenen Unternehmens. Auch hier wollen wir am Status quo festhalten. In der Berufspraxis zeigen sich Momente des Festhaltens und Loslassens auf unterschiedlichste Weise. Gerade wer schon länger im Geschäft ist, spürt häufig, dass beispielsweise eine neue Positionierung erforderlich wird, dass das Alte einfach nicht mehr passt, dass sich manche Themen einfach erledigt haben und dass einem die Lust an einigen Aufgaben vergangen ist. Mit diesen Momenten ist die Zeit gekommen, das Vergangene abzulegen und sich für Neues zu öffnen. Wenn das Loslassen dann gelingt, kann das große Erleichterung verschaffen und zugleich viele neue Chancen ermöglichen. Auch das ist Unternehmer-Souveränität.


STÉPHANE ETRILLARD

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Stéphane Etrillard ist internationaler Keynote Speaker und zählt zu den meist-gefragten Businss-Coaches und besthonorierten Top-Wirtschaftstrainern im deutschsprachigen Raum. Der mehrsprachige Vortragsredner gilt als führender europäischer Experte für «persönliche Souveränität» und «Unternehmer-Souveränität». Stéphane Etrillard, Kosmopolit französischen
Ursprungs lebt in der Kulturmetropole Berlin. In seiner Freizeit beschäftigt er sich leidenschaftlich mit
Philosophie, Literatur und Klaviermusik und lernt mit großer Begeisterung das Klavierspielen. Sein einzigartiges Know-how ist seit über 20 Jahren in der Beobachtung und Begleitung von mehreren Tausend Unternehmern, Führungs- und Nachwuchskräften aus unterschiedlichsten Branchen entstanden. Zudem wurde er als Ausnahmepersönlichkeit unter die Top 100
Speakers aufgenommen. Mit seinen Privatissima und Masterclasses im Bereich Rhetorik, Dialektik und Selbstvermarktung verhilft er seinen Kunden zu mehr Souveränität in allen Lebenslagen. Er steht einigen der angesehensten Familien Europas als Privatcoach mit Rat und Tat zur Seite.

Zu seinen Klienten zählen Manager aus Top-Unternehmen, mittelständische Unternehmer und Politiker sowie viele Menschen, die sich bei ihm neue Impulse holen, um ihre Kommunikation noch souveräner und ihr Unternehmerdasein noch erfolgreicher zu gestalten. Er ist Autor von über 40 Büchern und Coaching-Programmen, die zu den Business-Topsellern zählen. Täglich lesen über 30 000 Menschen seine Coaching-Impulse in den sozialen Netzwerke. Sein Standardwerk Prinzip Souveränität ist im Midas-Verlag erschienen und liegt bereits in der 3. Auflage vor.


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Unternehmer-Souveränität: Leidenschaft, Klarheit, Orientierung

 

 

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